Der Stadtparteitag von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Leipzig hat am gestrigen Sonnabend einen neuen Vorstand gewählt. In der ruhigen Atmosphäre des Forschcafés arbeiteten die Mitglieder die umfangreiche Tagesordnung, auf der auch mehrere Anträge beschlossen wurden, ab.
In seiner Begrüßungsrede sagte der alte und neue Sprecher Jürgen Kasek:Alle reden über Macht.Wir nicht. Wir reden über Inhalte.“
Beschlossen wurde somit der Leitantrag unter dem Titel: „Sozialer Neuaufbruch statt Schwarz-Gelber Verantwortungslosigkeit“, in dem die Grünen sich vor allem für eine Qualitätsoffensive im Bildungsbereich einsetzen. Auch der Stopp des Kommunalkombiprogramms wurde in scharfen Worten kritisiert.
Weiterhin stimmten die Mitglieder einem Antrag zu, in dem eine finanzielle Neuorientierung gefordert wird. In dem Papier mit dem Titel „Leipzigs finanzielle Unabhängigkeit bewahren!“, das vom Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, Wolfram Leuze, eingebracht wurde, sprechen sich die Grünen dafür aus, den Städten und Gemeinden ein umfangreicheres Mitbestimmungsrecht bei Gesetzgebungsverfahren einzuräumen. Der Einführung eines Flächenfaktors im Rahmen des kommunalen Finanzausgleiches in Freistaates Sachsen, wie er gerade diskutiert wird, wurde dagegen abgelehnt.
Antje Hermenau, die als Gastrednerin zur finanziellen Misere Stellung bezog, brachte die Idee ins Spiel, dass auch gerade für finanziell Not leidende Gemeinden eine Art kommunalpolitisches Existenzminimum eingeführt werden müsste. Hermenau betonte dabei die Rolle Leipzigs als zentrale Stadt in Sachsen, deren Bedeutung von der Dresdner Ministerialbürokratie zu wenig beachtet würde.
In einem weiteren Antrag setzen sich die Grünen dafür ein, dass die Kürzungen im Fernverkehr der Bahn rückgängig gemacht werden müssen. Wolfram Leuze, der auch Vorsitzender des Fahrgastverbandes pro Bahn e.V. Mitteldeutschland ist, strich die Gefahr der Entkopplung Leipzigs vom Fernverkehr heraus. Er kritisierte in scharfen Worten die konzeptlose Privatisierung der deutschen Bahn. Durch die schleichende Abkopplung vom Fernverkehr drohe dem Standort Leipzig ein enormer Schaden. Mitverantwortlich für diese Misere sei vor allem der ehemalige OBM Leipzigs und vormalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee.
In einem letzten Antrag sprachen sich die Grünen für einen Abrissstopp des alten Brühl-Kaufhauses aus. Da sich die Faktenlage grundlegend geändert habe, müsse nun zunächst die Diskussion um die Zukunft der Gebäudehülle am zentralen Richard-Wagner-Platz diskutiert werden. Die Partei forderte den Investor MFI dazu auf, ein Zeichen zu setzen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Leipzigs über die städtebauliche Entwicklung des Brühls zu diskutieren.
Von den 50 Mitgliedern im Froschcafé zu Leipzig wurde erstmals die Rechtsanwältin Stefanie Gruner (29) mit einem deutlichen Votum von 91,8% zur neuen Sprecherin gewählt.
In ihrer Rede betonte sie, dass es für eine lebens- und liebenswerte Stadt wichtig sei, alle Entscheidungen noch stärker hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und ihrer Auswirkungen auf unsere Kinder zu überprüfen. Gerade die Bereiche Bildung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber auch ökologische Belange sowie die kulturelle Vielfalt unserer Stadt sei ihr, wie vielen Einwohnerinnen von Leipzig, eine Herzensangelegenheit.
An ihrer Seite wurde der amtierende Sprecher Jürgen Kasek, 29, Rechtsanwalt, mit einem ebenfalls deutlichen Votum von 90% für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt.
In seiner Rede unterstrich er die Notwendigkeit starker grüner Politik in Leipzig und kritisierte zugleich das Regierungshandeln der Schwarz-Gelben Koalition. Den Diskussionen um eine bürgerliche Mehrheit erteilte er eine Abfuhr, als er sagte:“Wir unterscheiden nicht zwischen Bürgern erster und zweiter Klasse. Für uns sind alle Menschen Bürger. Und diese Bürger haben bereits gewählt. Den Etikettenschwindel mit der Umdeutung von konservativ in bürgerlich werden wir nicht mitmachen.“
Als Schatzmeister wurde Holger Haugk, Büroleiter des Grünen Europabüros Sachsen/Thüringen in Leipzig, gewählt.
Ebenfalls in den Vorstand wurden Linda Dertinger, 20, Studentin, Jasmin Steinwender, 29, Doktorandin, Jens Reichmann, 44, Mediengestalter und Lorenz Bücklein, 29, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, sowie Alrun Tauchè, Kunsthistorikerin am Stadtgeschichtlichen Museum, gewählt. Mit Jens Reichmann ist erstmals ein Netzpolitiker im Vorstand der Leipziger GRÜNEN vertreten.
„Die Richtung stimmt, jetzt müssen wir GRÜNEN zeigen, dass wir im Netz ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben“, betonte Reichmann, der auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Grüne Netzpolitik ist.
Die neue Sprecherin Stefanie Gruner zeigte sich erfreut, dass erstmals seit mehreren Jahren wieder ein komplett quotierter und vollständiger Vorstand gewählt wurde.
Die Leipziger Grünen haben damit auch den im Altersdurchschnitt jüngsten Parteivorstand im Vergleich zu anderen Parteien.
Stefanie Gruner, Vorstandssprecherin; Jürgen Kasek, Vorstandssprecher
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